Nachhaltigkeit in Digitalisierungsprojekten Wissen

Nachhaltigkeit in Digitalisierungsprojekten. Was heißt das?

Obwohl in den letzten Jahren aufgrund des Klimawandels, der Energiekrise und vielen weiteren Aspekten die ökologische Nachhaltigkeit immer mehr ins Zentrum der Diskussion um Nachhaltigkeit gerutscht ist, ist das Konzept Nachhaltigkeit ein Ganzheitliches. Neben ökologischen Aspekten werden auch wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt. Es geht darum, ökologische, soziale und wirtschaftliche Ressourcen so zu nutzen, dass sie langfristig erhalten bleiben und eine gesunde Umwelt sowie soziale Gerechtigkeit gewährleistet wird. (UN 2022)

In Sozialwirtschaftsorganisationen und speziell auch in Digitalisierungsprojekten werden unterschiedliche Dimensionen von Nachhaltigkeit immer zentraler (vgl.  z.B. BFS 2022, BMBF 2020, Deutscher Caritasverband 2020):

  • Umweltaspekte: Klimaschutz, Schutz der biologischen Vielfalt, Schutz gesunder Ökosysteme, Schutz von Wasser- und Bodenressourcen, Abfallvermeidung und Recycling
  • Soziale Aspekte: Arbeitsrecht, Arbeitssicherheit, gesundes Arbeiten, Vermeidung von Spaltung, Ausgrenzung und Diskriminierung in der Gesellschaft, Privatsphäre
  • Wirtschaftliche Aspekte: Ressourcenschonung durch effizientes und effektives Arbeiten, nachhaltige Beschaffung, Anreizsysteme

Nicht zuletzt tragen Sozialwirtschaftsorganisationen bereits mit dem Kern ihres Tuns wesentlich zum Erreichen der UN Nachhaltigkeitsziele wie Gesundheit und Wohlergehen, Linderung von Armut, oder Frieden und Gerechtigkeit bei.

Nachhaltigkeit und Digitalisierungsprojekte: Herausforderung und Lösung

Digitalisierungsprojekte können sowohl Lösungsansatz als auch Herausforderung für nachhaltiges Organisationshandeln sein. Wie der WGBU (2019) schreibt, können Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft, umweltschonendere Landwirtschaft, Ressourceneffizienz und Emissionsreduktionen, Monitoring und Schutz von Ökosystemen durch digitale Innovationen leichter und schneller erreicht werden als ohne. Jedoch, so wird betont, kann Digitalisierung auch „Brandbeschleuniger der Wachstumsmuster werden, die die planetarischen Leitplanken durchbrechen“.

DimensionDigitalisierung als HerausforderungDigitalisierung als Lösung

Ökologisch:

Ressourcenverbrauch und Energieeffizienz

Digitale Technologien haben oft einen hohen Energieverbrauch und einen hohen C02 Ausstoß. Die Schnelllebigkeit elektronischer Geräte und Technologien führt zudem zu einer massiven Verschwendung von Ressourcen.Digitale Lösungen können unterstützen, weniger Ressourcen zu verbrauchen. Beispiele sind die Tourenplanung in ambulanten Pflegesettings, Sensoren zur Minimierun von Energieausstoß in Gebäuden, Vermeidung von Papier durch digitale Akten, Einsparung von Ressourcen durch digitale Arbeitsmöglichkeiten.

Sozial:

Teilhabe und Bildung

Insbesondere Frauen, ältere Menschen, Menschen mit kognitiven und motorischen Einschränkungen haben oft Schwierigkeiten am digitalen Leben - das immer mehr auch das soziale Leben ist - teilzuhaben. Wenn Barrierearmut nicht frühzeitig mitgedacht wird, werden digitale Infrastrukturen geschaffen, die nur von begrenzten Personenkreisen nutzbar sind. Dies gilt für Technologien für Fachkräfte und Zielgruppen gleichermaßen.Digitalisierung kann einen Beitrag leisten, soziales Leben und z.B. Bildungsangebote inklusiver und zielgruppengerechter zu gestalten. So können zum Beispiel digitale Tools wie summ.ai helfen, Inhalte in leichte Sprache zu übersetzen oder digitales Lernen zielgruppengerecht abzubilden (z.B. WEIDI).

Wirtschaftlich

Daten als Schlüsselressource

Der verantwortungsvolle Umgang mit Daten ist ein essentieller Bestandteil nachhaltiger Digitalisierungsprojekte. Datensicherheit und Datenschutz müssen gewährleistet sein, um Individuen und deren Rechte zu schützen und eine  Vertrauensbasis für nachhaltige digitale Innovationen zu stärken (BMBF 2020)Daten sind Schlüsselressource für Wissenschaft und Gesellschaft: Die Möglichkeit, Daten zu nutzen, zu verknüpfen und auszuwerten, ist eine Grundlage für Innovationen und neues Wissen (BMBF 2020). Daten sinnvoll zu nutzen, kann einen erheblichen Beitrag zur besseren Versorgung und effizienterem Arbeiten liefern (Bsp: Projekt PFLIP)

Sozial / wirtschaftlich:

Arbeitsbelastung

Digitalisierung kann zu dauerhafter Mehrbelastung, Überforderung und gesundheitlichen Belastungen von Mitarbeitenden führen.Insbesondere bei hoher Arbeits- und Dokumentationsbelastung kann Digitalisierung Lösungen bieten und Effizienz fördern. So können z.B. Dienstpläne mit digitalen Tools optimiert werden oder Pflegedokumentation kann mit digitalen Lösungen unterstützt werden. Um Überlastung zu vermeiden, ist der Aufbau von digitalen Kompetenzen und ein Blick auf gesundes digitales Arbeiten essentiell.

Doppelte Transformation: Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Der Begriff der doppelten Transformation wurde in den letzten Jahren geprägt (Bertelsmann 2022, 2023, Münch et al. 2022). Digitalisierung wird hier als Mittel zum Zweck gesehen, um eine umfassende Ausrichtung am Ziel der Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und betrieblicher Wandel stehen damit in enger Verbindung. Auch in der Sozialwirtschaft bietet die doppelte Transformation ein enormes Hebelpotential. Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam zu denken bedeutet, Digitaliserungsprojekte zu priorisieren, mit denen Nachhaltigkeitsziele voran getrieben werden können (z.B. Projekte zur Förderung digitaler Teilhabe, Energieeffizienz, oder gemeinnütziger Datennutzung). Insbesondere beim Erarbeiten von Digitalisierungsstrategien können explizit Querverbindungen mit Nachhaltigkeitszielen und/oder Strategien gefunden.

Nachhaltige Digitalisierungsprojekte priorisieren

Die grundlegenden Nachhaltigkeitsstrategien (Behrendt et al. 2018) Effizienz, Suffizienz und Konsisten können auch bei Digitalisierungsprojekten Orientierung bieten.

  1. Effizienz fragt nach dem Verhältnis der einzusetzenden Ressourcen im Verhältnis zu dem zu erwartenden Ergebnissen.
  2. Suffizienz ist stärker systematisch ausgerichtet und fragt nach der Vereinbarkeit von Natur und Technik. Dies zielt z.B. auf Stoffströme und Kreislaufwirtschaft ab, in der keine oder möglichst wenige Abfälle produziert werden und Wiederverwertung zentral ist.
  3. Konsistenz bezieht sich auf die Veränderung von Konsummustern und Prinzipien wie Gewinnmaximierung (Behrendt et al. 2018).

Zudem können folgende vom BMBF (2020) entwickelte Grundsätze bei der Priorisierung hilfreich sein:

  1. Digitalisierung muss den Menschen in seiner individuellen Entfaltung unterstützen.
  2. Digitale Technologien müssen der Gesellschaft dienen.
  3. Digitalisierung soll dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen dienen und darf ihm nicht entgegenstehen.

Vor diesem Hintergrund können z.B. folgende konkrete Fragen zur Prüfung der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Digitalisierungsprojekten abgeleitet werden:

  • Wie hoch sind die einzusetzenden Ressourcen im Vergleich zum erwarteten Ergebnis?
  • Wie viele Ressourcen verbraucht die digitale Lösung und wie kann dieser reduziert/optimiert werden?
  • Wie dauerhaft ist die Hardware einsetzbar, welche Optionen gibt es zur nachhaltigen Beschaffung?
  • Führt das Projekt zur Entlastung der Mitarbeitenden/Zielgruppen?
  • Wie können Mitarbeitende/Zielgruppen gut bei der Umsetzung begleitet werden?
  • Erhöht das Projekt Effizienz und/oder Effektivität in der Organisation?
  • Trägt das Projekt zur besseren Teilhabe bei und ist Barrierearmut gesichert?
  • Ist Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet?
  • Trägt das Projekt zum Gemeinwohl bei?

Exkurs Nachhaltigkeit messen

Wie kann man Nachhaltigkeit konkret mit messbaren Indikatoren erfassen und steuern? Löwenhaupt (2021) hat entsprechende Instrumente für die Sozialwirtschaft identifiziert. Folgende Leitfäden und Konzepte können die Organisationen dabei unterstützen, Ziel- und Absichtserklärungen so zu operationalisieren, dass ein Controlling des Nachhaltigkeitsmanagements möglich wird:

a) Drei-Säulen-Modell
Das „Drei-Säulen-Modell“ gilt als Basis vieler danach folgender Modelle: Im Fokus steht die gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen. Das Drei-Säulen-Modell ist zwar gut nachvollziehbar, es handelt sich jedoch um ein veraltetes Modell. Das Modell an sich kann kaum für operationalisierbare Zielvorgaben oder für konkret nutzbare Kennzahlen genutzt werden.

b) Gemeinwohlbilanz
Die Gemeinwohlbilanz bietet Orientierung, um die Balance zu finden zwischen Geben und Nehmen. Dabei werden Aspekte wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung und Transparenz bewertet. Maximal können 1.000 Gemeinwohl-Punkte erreicht werden. Organisationen mit mehr als 300 Punkte gelten als vorbildlich.

c) Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)
Auch der DNK ist ein Tool, welches mittels einer Selbsteinschätzung funktioniert. Genannt wird es „Nachhaltigkeitsberichterstattung“. Um einen Einstieg zu finden, kann vorab eine Nachhaltigkeitsstrategie aufgebaut werden. Um den DNK zu erfüllen, erstellen Anwendende einer Datenbank eine Erklärung zu zwanzig DNK-Kriterien und weiteren nichtfinanziellen Leistungsindikatoren. Beispiele sind: Wesentlichkeit, Ziele, Tiefe der Wertschöpfungskette, Verantwortung, Regeln und Prozesse. Die regelmäßige Berichterstattung macht die Entwicklung des Unternehmens sichtbar.

d) Sustainability Balanced Scorecard
Der Ansatz der Sustainability Balanced Scorecard (SBSC) ist eine Erweiterung der Balanced-Scorecard (BSC) von Kaplan und Norton (1992). Die vier Steuerungsperspektiven Finanzen, Markt, Prozesse und Lernen werden um eine zusätzliche Perspektive erweitert, welche die relevanten Umweltaspekte zusammenfasst (Nachhaltigkeits-, Umwelt- bzw. Nicht-Markt-Perspektive).

e) Sustainable Return on Investment
Der Sustainable Return on Investment  ist eine Erweiterung des SROI (Social Return on Investment). Mit der Perspektive "Nachhaltigkeit" stellt er die Frage, welche Wirkungen Investitionen auf verschiedene Stakeholder haben.

Autorin: Dr. Miriam Wolf (vediso e. V.)
Bild: Freepik / Yaroslav Danylchenko

 

 

Quellen:

Behrendt, S., Göll, E., Korte, F (2018). Effizienz, Konsistenz, Suffizienz Strategieanalytische Betrachtung für eine Green Economy. IZT-Text 1-2018. verfügbar unter: www.researchgate.net/publication/328065606_Effizienz_Konsistenz_Suffizienz_Strategieanalytische_Betrachtung_fur_eine_Green_Economy

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2019). Unsere gemeinsame digitale Zukunft.Verfügbar unter: www.wbgu.de/fileadmin/user_upload/wbgu/publikationen/hauptgutachten/hg2019/pdf/WBGU_HGD2019_Z.pdf

Muench, S., Stoermer, E., Jensen, K., Asikainen, T., Salvi, M. and Scapolo, F., Towards a green and digital future, EUR 31075 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2022, ISBN 978-92-76-52452-6, doi:10.2760/54, JRC129319.

Bank für Sozialwirtschaft : Report "Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft“. Verfügbar unter: www.sozialbank.de/bfs-nachhaltigkeitsreport-bd2

Wie können Organisationen der Sozialwirtschaft Nachhaltigkeit messen? Verfügbar unter: www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2021/artikel/wie-koennen-organisationen-der-sozialwirtschaft-nachhaltigke

CSR-Kompetenzzentrum des Deutschen Caritasverbandes (2020) Deutscher Nachhaltigkeitskodex. Leitfaden für die freie Wohlfahrtspflege. www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de-DE/Documents/PDFs/Leitfaden/DNK-Branchenleitfaden-fur-die-Freie-Wohlfahrt.aspx
United Nations (2022). Sustainability. Verfügbar unter: www.un.org/en/academic-impact/sustainability

BMBF 2020. Natürlich. Diggital. Nachhaltig. Ein Aktionsplan des BMBF. Verfügbar unter: www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/7/31567_Aktionsplan_Natuerlich_Digital_Nachhaltig.pdf


Weitere Literatur:

Artikel zum Mittelstand: www.mittelstand-digital.de/MD/Redaktion/DE/Publikationen/Wissenschaft-trifft-Praxis/magazin-wissenschaft-trifft-praxis-sonderausgabe-Nachhaltigkeit-18.pdf

Methoden „Roadmap: Die Nachhaltigkeitsziele erreichen“ und „Wesentlichkeitsanalysen“: www.t-systems.com/de/de/whitepaper-download/nachhaltige-transformation