Welche Digitalkompetenzen braucht die Pflege? Wissen

Die Digitalisierung des Gesundheitsweisens und insbesondere der Pflege ist geprägt durch ein divergierendes Nebeneinander von konventionellen und digitalisierten Arbeitswelten. Entsprechend groß sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Einrichtungen und entsprechend unterschiedlich sind die digitalen Kompetenzen der Mitarbeitenden. 

Dort, wo digitale Technologien bereits heute zunehmend Teil der Pflegearbeit sind, verändern sich Rollen und Aufgaben der professionell Pflegenden substanziell (Falkenstein et al 2022). So verändert die Digitalisierung die Arbeitsorganisation sowie, Kommunikations- und Informationsprozesse. Studien zeigen, dass mit der Digitalisierung neue Anforderungen an den Technikeinsatz und die Techniknutzung, veränderte Aufgaben- und Tätigkeitsportfolios, neue teambasierte Organisationsformen und damit gleichzeitig neue und erweiterte Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen einhergehen (Becka et al 2020).  

Gleichzeitig sind der Technik zugeschriebenen Potenziale der Problemlösung wie z.B. Effizienzsteigerung aus beruflicher Perspektive kein Selbstläufer. So kann man beispielsweise nicht automatisch davon ausgehen, dass die Digitalisierung die Arbeitsdichte von Pflegenden reduziert. Es ist sind sogar gegenteilige Effekte möglich (Daum 2022).  

Vor diesem Hintergrund werden insbesondere solche Kompetenzen wichtig, die als „Kompetenzen für berufsfachliche sinnvolle Digitalisierung“ beschrieben werden (Becka et al 2020). Somit entstehen für beruflich Pflegende im Kontext standardisierungsorientierter Techniknutzung besondere Herausforderungen hinsichtlich der personenzentrierten Gestaltung des Pflegeprozesses.  

Arten von Kompetenz 

Bei der Entwicklung digitaler Kompetenzen geht es nicht nur darum, dass die Mitarbeitenden die vorhandenen Technologien bedienen können. Dies ist eine wichtige Grundlage, greift aber zu kurz, wenn die Potenziale der Digitalisierung vollständig gehoben werden sollen. In Anlehnung an Falkenstern und Kolleg*innen (2022) lassen sich beispielsweise funktionale prozessuale Kompetenzen unterscheiden, ebenso wie eine ganzheitliche Gestaltungskompetenz. 

Funktionale Kompetenzen zielen in erster Linie auf die Erprobung und Auswahl von Technologien, ihre Bedienung und auch die Lösung alltäglicher Probleme ab. Diese Kompetenzen sind Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeitenden in die Entscheidung über Technologien eingebunden werden können und dass diese im Anschluss kompetent genutzt werden können. 

Prozessuale Kompetenzen setzen eine Ebene höher an und beschreiben die Fähigkeit, die Konsequenzen für das eigene Berufshandeln abzuschätzen, bestehende Lösungen ethisch einzuordnen und im Hinblick auf ihre Nützlichkeit systematisch zu bewerten. Diese Kompetenzen sind in erster Linie bei den Mitarbeitenden und Führungskräften gefragt, die in die übergreifende Gestaltung und Steuerung von Digitalisierungsprozessen eingebunden sind – und auf der Ebene der Entscheider*innen. 

Schließlich ist auch eine ganzheitliche Gestaltungskompetenz zu nennen, die es erlaubt, Digitalisierungsprojekte auch innerhalb des organisationalen Rahmens zu initiieren, zu konzipieren und schließlich auch praktisch umzusetzen. Dabei steht der Blick auf das große Ganze im Mittelpunkt und die Fähigkeit, unterschiedliche Stakeholder-Gruppen zu bedenken und einzubeziehen. 

Selbstverständlich müssen nicht alle Mitarbeitenden gleichermaßen über alle Kompetenzen verfügen. Es kann sinnvoll sein, explizit zu überlegen, welche man als Kernkompetenz versteht, die allen Mitarbeitenden zumindest in Ansätzen vermittelt werden sollten, und welche als spezialisiertere Kompetenzen auf ausgewählte Mitarbeitende konzentriert werden – sei es auf Einrichtungs- oder auf Trägerebene (Seyda et al., 2022; Becka et al., 2020). Diese sollten dann aber auch eine umfangreichere Ausbildung in diesem Bereich erhalten. 

Kompetenzen aufbauen 

Es stellt sich nun die Frage, wie sich solche Kompetenzen bei den Mitarbeitenden effektiv und effizient aufbauen lassen. Befragungen zeigen hier, dass im Idealfall formelles Lernen durch Schulungen oder E-Learnings mit informellem Lernen „on the Job“ kombiniert werden sollte (Daum 2022).  

Der Erfolg von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen hängt außerdem von Rahmenbedingungen und der Nutzenwahrnehmung ab: Beschäftigte entschieden sich nur dann für eine Weiterbildungen, wenn sie dadurch keine finanziellen Nachteile erfahren. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Beschäftigten zur Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen freigestellt und die Kosten für diese Maßnahmen übernommen werden.   

Eine unmittelbare Verknüpfung des Gelernten mit der alltäglichen Arbeit und eine begleitende Unterstützung durch Ansprechpartner oder Multiplikatoren machen es zudem einfacher, das Erlernte zeitnah in den Alltag zu übertragen und machen Erfolge der Bildungsmaßnahmen spürbar (Seyda et al 2022).  

Autorin: Dr. Miriam Wolf (vediso e. V.)

 

Quellen:   

Becka, Denise; Bräutigam, Christoph; Evans, Michaela (2020): “Digitale Kompetenz" in der Pflege: Ergebnisse eines internationalen Literaturreviews und Herausforderungen beruflicher Bildung, Forschung Aktuell, No. 08/2020, Institut Arbeit und Technik (IAT), Gelsenkirchen.  

Daum, Mario (2022): Die Digitalisierung der Pflege in Deutschland Status quo, digitale Transformation und Auswirkungen auf Arbeit, Beschäftigte und Qualifizierung. DAA-Stiftung Bildung und Beruf. Stuttgart.  

Falkenstern, Malte; Peters, Miriam; Saul, Surya; Telieps, Johanna (2022): Kompetenzen für die Digitalisierung in der pflegeberuflichen Bildung. Heft-Nr.: 239. Bonn. 

Seyda, Susanne; Pierenkemper, Sarah;  Becka, Denise; Cramer, Elena; Kemper, Jessica, (2022): Digitale Kompetenzen in der Altenpflege, in: IW-Trends, 49. Jg., Nr. 4, S. 45-63.